Medipolis SC Jena 2023/2024
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Wenn sonst keiner möchte, versuch ich mich mal an losen Gedanken zur Saison.
Nach der katastrophalen Vorsaison hatte man mit der Rückkehr von Harmsen sowie den in der Vorbereitung bereits aufblitzenden (athletischen) Fähigkeiten der US-Importe in Jena mehr als nur die Hoffnung, wieder im Aufstiegsrennen mitzureden. Mit der Verpflichtung der sportlichen Pro-A-Premiumlösung Saibou waren die Weichen eindeutig auf Angriff auf die Aufstiegsplätze gestellt. Den längerfristigen Ausfall vom Co-Trainer Chones konnte man durch Lars Masell qualitativ hochwertig ersetzen. Die Weichen für eine erfolgreiche Hauptrunde waren gesetzt.
Am Ende beendete Jena die Abschlusstabelle auf Platz 5. Mit 23 Siegen aus 34 Spielen hatte man eine Siegquote, die in etwa auf dem Niveau der vier Saisons nach dem letzten BBL-Abstieg lagen. In einer ausgeglichen Liga reichte das nicht für ein Heimrecht in Runde eins. Bereits in der ersten Playoff-Runde war Frankfurt eine unüberwindbare Hürde auf dem Weg in die BBL.
Obwohl es im Saisonverlauf immer wieder Spieler schafften, positive Akzente zu setzen (Hinton und Francis aufgrund der individuellen Qualität; Alberton / Falkenthal / Bank aufgrund erfreulicher Entwicklungsschritte), hatte man über die gesamte Saison nie das Gefühl, hier spielt ein Team, welches die Qualität hat, aufzusteigen und zweimal in Playoffserien als Sieger vom Platz zu gehen. Gefühlt war das Team einfach deutlich weiter weg von der absoluten Ligaspitze als beispielsweise noch in der Saison 2020/2021. Neben der spielerischen Qualität fehlte auch eine (identitätsstiftende) Leitfigur, die dem Team ein Gesicht gegeben und die Aufstiegshoffnung verkörpert hätte.
Nach der Niederlage in Spiel IV der ersten Playoffrunde schien daher weder Schock, Enttäuschung noch Wut die Gefühlslage der Beteiligten zu dominieren. Der Hallensprecher spricht Sekunden nach Abpfiff von einer sehr erfolgreichen Saison. Die Zuschauer klatschen und sind wohl zufrieden. Mit US-Importen, deren “Inselbegabungen” (Hinton = Athletik sowie Francis = Range) im Saisonverlauf nie dauerhaft in eine gut laufende Team-Offense integriert werden konnten, wären Aufstiegsansprüche vielleicht tatsächlich etwas vermessen gewesen.
Was war das jetzt also in der Rückschau? Ich wäre nicht bei der Hallensprecher-Bewertung, sondern sehe eher ein weiteres Jahr mit einer verpassten Gelegenheit, trotz vorhandener Infrastruktur und finanzieller Mittel den Aufstieg zu erzielen. Man hatte in der Saison 2019/20 die Qualität, um Bremerhaven in Runde zwei zu schlagen. Corona raubte dem Verein die Chance auf ein Duell um den Aufstieg. Ein Jahr später scheiterte man mit Menz knapp in der Playoff-Vierergruppe, 2021/22 war mit Reinboth gegen Rostock in Runde II Endstation. Letzte Saison der Vollcrash, diese Saison fehlten fünf Playoff-Siege, um aufzusteigen. Lässt man die Reinboth-Anomalie aus 2022/23 außen vor, ist der Abstand zu den Aufstiegsplätzen jede Saison größer geworden.
Der strukturelle und finanzielle Vorteil, den man sich auch durch die BBL-Jahre erarbeitet hat, konnte nicht umgemünzt werden. Galt man 2019/20 noch mit als Top-Favorit auf den Wiederaufstieg, ist man jetzt umgeben von Vereinen, die auf Augenhöhe mit Jena agieren. Hier wurden Chancen vertan. Es leuchtet ein, dass der “Struktur-Vorteil” aus BBL-Zeiten mit jedem Jahr in der Pro A abnimmt. Mit einem weiterem Jahr Abstand dann umso unverständlicher, warum man ohne Trainerwechsel die Saison 2022/23 anging und hier die Karte “Trainer-Jugend forscht” ausspielen wollte.
Man verlängerte jetzt während der Saison vorzeitig mit Harmsen. Der kann sich glücklich schätzen, dass er bei der Bewertung seiner Arbeit vor allen Dingen mit seinem unmittelbaren Vorgängen verglichen wird. In der kommenden Saison darf er nochmal ran, mutmaßlich dann mit neuen US-Importen und einer stark veränderten Mannschaft.
Ändern wird sich dann auch das Namensbranding, bereits nach drei Jahren zieht sich der Gesundheitsdienstleister Medipolis aus dem Namenssponsoring zurück. Auch wenn die Verpflichtung von Saibou mit seiner (zumindest früheren) Nähe zu Verschwörungstheorien und Wissenschaftsfeinden bei der wahrnehmbaren Anhängerschaft auf nahezu keinen Widerstand gestoßen ist: als PR-Verantwortlicher des namensgebenden Pharmaunternehmens hätte ich bei der Verpflichtung fassungslos mit dem Kopf geschüttelt. Jetzt ist der Name Medipolis wieder Geschichte und zur kommenden Saison gibt es vll. den dritten Vereinsnamen in vier Kalenderjahren. Spricht auch irgendwie für sich.
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Danke für deine umfangreiche Analyse, die ich fast zu 100 % teile. In der Saison nach dem Abstieg wurde man wirklich durch Corona gestoppt, da hatte man zu sehr auf die Playoffs gehofft. In der folgenden Saison hatte man bekanntlich nicht so ganz mit der Spielleitung gerechnet, die das Nichtantreten in Heidelberg mit Punktabzug bestraft hatte, was dann dazu führte in die vermeintlich stärkere Gruppe A mit Rostock und Leverkusen in den Playoffs gesetzt worden zu sein. Heidelberg hatte dann dort auch durch Spielabsagen leichteres Spiel.
Natürlich gibt es welche, die die abgelaufene Saison mit der vorherigen Katastrophensaison vergleichen. Da kann man im Vergleich naturgemäß kaum was negatives finden, aber ist das der Anspruch des Vereins. Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Natürlich wird man das nicht laut sagen. Wir kennen das Ergebnis, als man 2022/2023 erstmals seit Jahren eine klare Zielstellung ausgegeben hat.
Das Jenaer Publikum ist halt immer noch häufig Eventpublikum und weniger auf den größtmöglichen sportlichen Erfolg aus. Man hört ja häufig, die Halle ist eh zu klein für die BBL und es ist doch schöner in der ProA oben mitzuspielen, als Kanonenfutter in der BBL zu sein.
Wenn ich dann die Wahl zum MVP der Saison durch die Zuschauer anschaue, dann sieht man insbesondere bei Vuc, dass der 3. Platz zumindest nichts mit der sportlichen Leistung zu tun haben kann. Letztlich waren dann doch noch viele dabei, die zumindest nach der sportlichen Leistung gevotet haben.
Zum Hallensprecher gibt es ja auch unterschiedliche Meinungen. Persönlich würde ich mir wünschen, dass er das Spiel besser liest und nicht zu viele Fauxpas produziert. Das kann man glaube ich nach den vielen Jahren einfach verlangen.
Nun starten wir für mindestens 1 Jahr wieder unter Science City Jena. Was man sich wünschen kann, könnte man im neuen Thread diskutieren.
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@antimatzist sagte in Medipolis SC Jena 2023/2024:
Es würde mich doch sehr wundern, wenn es nächste Saison kein Böttcher SC Jena gäbe.
Na hoppla, dann doch back to the roots: https://www.otz.de/regionen/jena/article242356182/So-springt-die-Stadt-Jena-mit-Science-City-als-Namenssponsor-ein-bei-den-Basketballern.html
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@LeSteph84 Der letzte Absatz wird dich schocken!