BBL Serienvorschau Halbfinale 23/24: ALBA Berlin - NINERS Chemnitz
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BBL Serienvorschau Halbfinale 23/24: ALBA Berlin - NINERS Chemnitz
Am Dienstagabend beginnen in der easyCredit Basketball Bundesliga die Halbfinal-Serien und der Auftakt macht die Serie, die von manchen, vor Beginn der Playoffs, als die möglicherweise heißeste betitelt wurde: ALBA Berlin gegen die NINERS Chemnitz. Die Gründe dafür sind vielfältig, alleine die Konstellation aus Hauptrunden-Zweiter gegen -Dritter verspricht schon eine spannende Serie, doch nach den beiden bisherigen Duellen in dieser Spielzeit ist noch mehr Feuer in diesem Match-Up. Unsportliche und disqualifizierende Fouls, diskutable Schiedsrichterentscheidungen, Provokationen und Flopping, Vereinsverantwortliche, die öffentlich Kritik am Gegner äußerten und harte, umkämpfte Spiele, das alles hatten die ersten beiden Aufeinandertreffen zu bieten und versprechen viel Gesprächsstoff für diese Serie.
ALBA gewann beide Duelle in der Hauptrunde und geht mit Heimvorteil in die Serie, ein Punkt, der lange noch in der Schwebe stand. Der deutsche Meister von 2020, 2021 und 2022 geht als Favorit in die Serie und ist auf Wiedergutmachung nach dem frühen Ausscheiden im Jahr zuvor aus. Die Berliner konnten sich nach einer schwierigen Spielzeit, international teilweise nicht wettbewerbsfähig und national sehr schwankend, im Frühjahr stabilisieren und legten trotz großer personeller Probleme eine beeindruckende Siegesserie hin. Von Anfang Februar bis Ende April gewann man 13 Spiele in Serie und etablierte sich im Rennen um den ersten Platz. Am Ende holte man sich den zweiten Rang und machte in der Viertelfinal-Serie mit einem 3-0 kurzen Prozess mit den Telekom Baskets Bonn, trotz einer weiterhin angespannten Personallage. Dies machte die Deutlichkeit des Seriensieges umso beeindruckender, doch die Schwächen und Probleme, die die Berliner Mannschaft während der kompletten Saison nicht beheben konnten, traten auch in dieser Serie wieder hervor. Schafft es Israel Gonzalez die Qualität der Mannschaft dadurch zu steigern, dass sie sich weniger auf die individuelle Qualität der Spieler verlässt und wieder mehr aufs Team verlagert, dürfte ALBA die Serie ohne allzu große Probleme für sich entscheiden können.
In Chemnitz ist die Luft dagegen noch nicht raus, auch wenn man da zwischendurch den Eindruck bekam. Die NINERSspielen eine historische Saison, in der vierten Saison nach dem Bundesliga-Aufstieg gewann man, angeführt von Wettbewerbs-Finals-MVP Kaza Kajami-Keane, den FIBA Europe Cup und dominierte über mehrere Monate die BBL mit dem klaren Kurs auf den ersten Rang nach der Hauptrunde. Doch nach dem Titelgewinn ließ das Team von Rodrigo Pastore Federn, bis zum Beginn der Finalserie im Europe Cup verloren sie nur fünf ihrer 28 bisherigen Spiele national, während und danach waren es drei der letzten sechs Spiele, darunter die Partie in Göttingen als man nach 24 Punkten Führung noch in der Overtime verlor. Es drohte sogar das Abrutschen von den Rängen mit Heimvorteil, doch mit einem Schlussspurt mit drei Siegen in Serie sicherte man sich den dritten Rang. Im Viertelfinale wartete mit Aufsteiger Rasta Vechta eine der Positiv-Überraschungen der Saison. die es den Chemnitzern mehr als nur schwer machten. Beide Seiten hatten in der Serie personelle Probleme, Kajami-Keane und Tyler Ongwae fehlten Teile der Serie verletzungsbedingt, Aher Uguak dazu ein Spiel gesperrt, während auch die Norddeutschen auf mehrere Spieler in Spielen verzichten mussten. So wurde aus dem Duell Dritter gegen Sechster schnell ein Abnutzungskampf, in dem beide Seiten viel Energie ließen, sich die NINERS am Ende aber mit 3-1 durchsetzen konnten. So gehen auch die NINERS personell angeschlagen und nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte in die Halbfinal-Serie gegen ALBA. Fest steht aber schon jetzt, dass man in Chemnitz alles in die Waagschale werfen wird und die Upset-Chancen keineswegs gering sind.
Die Personallage:
ALBA Berlin: Matteo Spagnolo und Gabriele Procida fallen verletzungsbedingt für den Rest der Saison aus, bei Ziga Samar ist eine Rückkehr diese Saison noch ungewiss. Justin Bean verpasste Teile der Bonn-Serie mit einer Fußverletzung, kehrte aber für Spiel Drei zurück.
NINERS Chemnitz: Kaza Kajami-Keane und Tyler Ongwae verpassten Teile der Serie gegen Vechta, dürften aber im Halbfinale wieder mitwirken können.
Key-Players:
Dreh- und Angelpunkt des Berliner Teams ist Johannes Thiemann. Der Weltmeister hat eine schwierige Saison hinter sich, Verletzungen und Leistungsschwankungen ließen JT nie ganz in die Fußstapfen von Luke Sikma treten, doch er war offensiv eine wichtige Konstante. In den Playoffs gegen Bonn tauchte JT zwar etwas ab, lieferte aber trotzdem hochkarätig ab, wenn er gebraucht und gesucht wurde. Die dominante Figur der Serie war stattdessen Matt Thomas, der Shooting Guard legte Fabelzahlen auf und lieferte mit 71% Dreierquote bei fast sechs Versuchen pro Spiel das Scoring aus dem Backcourt, was über weite Teile der Saison fehlte. Der US-Amerikaner wurde besser eingesetzt als bisher und drückte den Bonnern gnadenlos einen Jumper nach dem anderen ins Gesicht. Der X-Faktor der Viertelfinal-Serie, auch bedingt durch den Ausfall von Justin Bean, war Louis Olinde. Der Forward hatte über die komplette Saison mit Verletzungen zu kämpfen, lieferte gegen Bonn aber genau das ab, was man sich von ihm wünscht: Knallharte Defense, Athletik und einen mehr als stabilen Dreier. Gegen das große und athletische Chemnitzer Team wird er noch mehr gebraucht werden als gegen Bonn und kann mit seinen Fähigkeiten der Serie seinen Stempel aufdrücken.
In Chemnitz ist der Leitwolf DeAndre Lansdowne. Der 34-jährige führte in Abwesenheit von Kajami-Keane die NINERS durch das Duell mit Vechta und dominierte die komplette Serie. Ob als Scorer, Playmaker, Energizer oder bissiger Verteidiger, Lansdowne lieferte immer dann das, was die Mannschaft gerade braucht. Seine Führungsqualitäten werden gegen Berlin gebraucht, egal ob mit oder ohne Triple K. Einer der Senkrechtstarter der Saison ist Wes van Beck, der Lefty ist von essenzieller Bedeutung im Team von Rodrigo Pastore. In der Hauptrunde vor allem als eiskalter Schütze (44% bei über sechs Versuchen pro Spiel) hob er sein Spiel in den Playoffs auf eine neue Stufe und glänzte mit einem effizienten Zug zum Korb und hervorragender Playmaker, auch weil der Dreier nicht fiel. Wichtig für die Chemnitzer wird auch sein, dass Kevin Yebo zurück zu seiner Form findet. Der vielleicht beste Chemnitzer in dieser Saison enttäuschte in den Playoffs bisher komplett, sein Punkteschnitt sank um die Hälfte und auch die Effizienz sank um über 20%. War die Hauptrunde nur ein großer Ausreißer nach oben oder spielt Yebo bisher nur weit unter seinen Möglichkeiten in den Playoffs? So oder so, gegen den deutlich stärkeren und tieferen Berliner Frontcourt braucht Pastore seinen Big-Man in deutlich besserer Form, wenn man die Finalserie erreichen möchte.
Key-Match-Ups:
Martin Hermansson gegen DeAndre Lansdowne: Zwei Veteranen mit den Zügeln in der Hand im direkten Duell, welchem Spieler gelingt es besser, seine Mannschaft in den richtigen Flow zu bringen und der Serie so ihren Stempel aufzudrücken? Zwar sind die Berliner tiefer und vielseitiger besetzt, gerade im Backcourt, als die NINERS, doch als einziger echter Point Guard wird es an Hermansson liegen, seine Mannschaft in engen Situationen zu führen und für Stabilität zu sorgen.
Matt Thomas gegen Wes van Beck: Unter den Körben dürfte es auf beiden Seiten ordentlich zur Sache gehen bei der Physis, die beide Mannschaften ins Feld führen, umso wichtiger wird es sein, dass der Dreier fällt, um für Entlastung und Spacing zu sorgen. Und da beide Teams über ausgewiesene Scharfschützen verfügen, wird dieses Duell besonders wichtig sein, denn beide dürften eine hohe Aufmerksamkeit von den Defensiven des Gegners bekommen. Welcher Spieler kann sich besser frei machen, um dem Gegner einen ins Gesicht zu drücken?
Johannes Thiemann gegen Jeff Garrett: Vielleicht das spannendste Duell der gesamten Serie, kann Garrett die Kreise von Thiemann in Korbnähe einschränken? Der Forward der NINERS ist das Allzweck-Werkzeug von Rodrigo Pastore im Frontcourt und hält als Rebounder und Defensiv-Anker die Chemnitzer Defensive zusammen. Offensiv mit kleinerer Rolle glänzt er dort vor allem als spielintelligenter Hustler und Floor-Spacer, eine Rolle mit der auch JT einst in Berlin begann. Dieses Match-Up zweier sehr intelligenter und erfindungsreicher Spieler verspricht viele Akzente.
Khalifa Koumadje gegen Kevin Yebo: Zugegeben, es ist ein Duell mit einem Fragezeichen dahinter. Wie oft wird Kevin Yebo es mit Khalifa Koumadje zu tun haben oder vertraut Pastore da eher den Künsten von Jonas Richter? Das Match-Up der beiden könnte aber entscheidend für die Serie sein. Kevin Yebo glänzte in der Hauptrunde mit seinen schnellen Beinen, der Fähigkeit Fouls zu ziehen und auch der Dreier fällt inzwischen regelmäßig, alles Faktoren, mit denen er Koumadje weh tun kann. Defensiv wird er aber Probleme mit dem größten Spieler der Liga haben, der Berliner Big Man ist zwar auch nicht der mobilste, kann mit seiner Länge aber die defensiven Schwächen von Yebo effektiv bestrafen. Gut möglich, dass es auf der Center-Position eine kleine Schachpartie gibt.
Key-Faktoren:
Physis: Die NINERS stellen die beste Defensive der Liga, agieren aber immer sehr physisch und an der Grenze der Regularien. Wie eine enge Leine der Schiedsrichter ihr Spiel beeinflussen kann, konnte man im ersten Duell in Berlin begutachten, als 62 Fouls (37 für die Chemnitzer) gepfiffen wurden und die Berliner das komplette Spiel kontrollierten. Und bisher hatten die Chemnitzer nicht immer die richtige Lösung, um sich auf die Linie der Schiedsrichter einzustellen.
Energie: In beiden Spielen in Vechta wirkten die NINERS müde, auch bedingt durch die personellen Probleme und zwischen dem letzten Spiel in Vechta und dem ersten in Berlin liegen nur fünf Tage. Reicht das, um die Akkus wieder voll aufzuladen und alle Wehwehchen auszukurieren? Die Berliner sind trotz ihrer personellen Probleme tiefer besetzt und hatten durch den Sweep auch noch zwei Tage mehr Zeit zum Regenerieren.
Rhythmus: Bei ALBA hat man in dieser Saison eine neue Qualität entwickelt, Spiele auch ohne den ganz großen Spielfluss deutlich zu gewinnen. Die Read&React-Offensive ist bei den Berlinern kaum noch zu sehen und dazu werden sie am meisten in der BBL gefoult und werfen die zweitmeisten Freiwürfe. Chemnitz dagegen begeht die viertmeisten Fouls der Liga, die Wahrscheinlichkeit, dass wir schnelle, flüssige Spiele sehen werden, dürfte gering sein. War das früher noch ein Problem für ALBA, so können sie dies inzwischen gut kompensieren. Wer also trotz des vermutlich unrhythmischen Spiels seinen Rhythmus offensiv und defensiv am ehesten finden kann, wird die besten Chancen haben, die Serie für sich zu entscheiden.
Dreierquote: Was beide Teams im Viertelfinale einigte, waren die Big Shots, die fielen. Wann immer eine der beiden Mannschaften den Dreier brauchte, er fiel in diesen Situation sehr häufig. Trotzdem waren die Dreierquoten im Viertelfinale der beiden Teams doch sehr unterschiedlich. Während Berlin starke 38,1% gegen Bonn traf, trafen die Chemnitzer dagegen nur 33,6%, auch weil van Beck kaum Rhythmus von draußen entwickeln konnte. Und während Chemnitz in der Hauptrunde die niedrigste Prozentzahl an Dreipunktwürfen zuließ, traf Vechta im Viertelfinale 39%, wenn auch deutlich schlechter in den beiden Heimspielen, als Aminu und Schwieger fehlten oder verletzungsbedingt ausscheiden. Trotzdem darf Chemnitz den Albatrossen so eine hohe Prozentzahl über eine Serie nicht gestatten, wenn sie diese für sich entscheiden wollen. Und selber müssen sie auch besser treffen.