50 Minuten Wahnsinn in Göttingen
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50 Minuten Wahnsinn in Göttingen
Die Veolia Towers Hamburg gewinnen nach doppelter Verlängerung mit 118:123 bei der BG Göttingen. Lukas Meisner (8/14) und Nico Brauner (4/8) krönen mit ihren Distanztreffern das Comeback nach 19 Punkten Rückstand. Sechs Hamburger mit zweistelliger Ausbeute.
Benka Barloschky: „Ich bin ein bisschen sprachlos. Vor allem bin ich sehr glücklich. Diesen Sieg noch geholt zu haben, ist ganz viel wert. Das erste Viertel müssen wir uns anschauen, sehr kritisch mit uns selbst sein -- das darf uns nicht passieren. Ich fand Göttingen zu Beginn extrem gut. Wir hatten auf beiden Seiten des Feldes keine Chance, gegenzuhalten. Normalerweise verliert man dann auch so ein Spiel auswärts in der BBL. Wir haben es nur durch ganz viel Charakter, Intensität und Energie geschafft, uns zurück ins Spiel zu fighten. Und ich glaube, am Ende hatten beide Teams mehrfach die Chance, für eine Entscheidung zu sorgen. Beide Mannschaften haben herausragendes geleistet und auch haarsträubende Fehler gemacht. Letztendlich war das Glück mehr auf unserer Seite, es hätte aber auch in die andere Richtung gehen können. Ich bin sehr stolz auf die ganze Mannschaft. Ein kleines Sonderlob geht an Nico Brauner und Lukas Meisner. Die beiden haben ein wahnsinniges Spiel gemacht.
Lukas Meisner: „Das Team inklusive Coaches ist heute unglaublich gewesen. Wahnsinn, wie wir uns aus diesem anfänglichen Loch herausgekämpft haben. Gerade am Anfang hat man gemerkt, dass es beim zweiten Auswärtsspiel in Folge an vielen Stellen gehakt hat. Vor allem die Defensive war erstmal nicht da. Jeder hat heute seinen Anteil beigesteuert. Ich bin extrem stolz auf alle. Wir haben einen richtig toughen Auswärtssieg geholt.
Der Spielbeginn gestaltete sich zunächst nicht so, wie die Veolia Towers ihn sich vorgestellt hatten. Denn die BG Göttingen verwandelte direkt die ersten drei Abschlüsse und bestimmte mit ihrer Offensive das Geschehen. Gerade einmal 150 Sekunden waren vergangen, da griff Head Coach Benka Barloschky zur Auszeit. Doch auch die half nicht, um dem Spiel anschließend den eigenen Stempel aufzudrücken. Die Hamburger Defensive bekam weiterhin keinen Zugriff. Angeführt von ihrem Guard-Duo Gibson und Burns und mit beachtlicher Treffsicherheit aus der Distanz (6/9, 66,7 %) setzten sich die Göttinger Punkt um Punkt ab. Die Abschlüsse, die nicht den Weg ins Ziel fanden, landeten als Offensivrebound (5) direkt wieder in die Hände der Veilchen. Die Towers bemühten sich zwar, in die Partie zu finden. Standen sich mit sechs Ballverlusten in den ersten zehn Minuten aber zu häufig selbst im Weg. Zum Ende des ersten Viertels leuchtete, quasi als Spiegelbild der bis hierhin einseitig geführten Partie, ein 18-Punkte-Rückstand (32:14) von der Anzeigetafel der Göttinger Arena.
Defensive als Comeback-Grundstein
Der Beginn des zweiten Abschnitts hatte dagegen schon deutlich mehr von Towers-Basketball. Die Hamburger verteidigten deutlich aggressiver, münzten zwei forcierte Ballgewinne im Eiltempo in Punkte um und konnten die Hypothek so auf 13 Zähler verkürzen. Allerdings hatten die schnellen Hände in der Verteidigung auch einen Nachteil. Nach nur 100 Sekunden war das Teamfoul-Konto bereits vollständig gefüllt. Mit der Umstellung auf Zonenverteidigung versuchten die Hanseaten ihre Gegenüber aus dem Konzept zu bringen. Einerseits gelang es zwar, das Tempo der Niedersachsen zu drosseln. Andererseits fehlte auf der anderen Seite aber das Glück im Abschluss, um daraus Profit zu schlagen. Eine Auszeit genügte den Hausherren, um das eigene Spiel wieder zu ordnen und den Rückstand auf 19 Punkte auszubauen. Dann aber brachte sich die BG selbst aus dem Konzept. Genauer gesagt ihre Anführer Burns und Gibson, die zu foullastig agierten und sich so zum Ende der ersten Halbzeit auf der Bank wiederfanden. Das sich einstellende Durcheinander machten sich die Veolia Towers zunutze. Mit viel Konsequenz suchten die Hanseaten immer wieder den Weg zum Korb. Und weil sie beim Abschlussversuch regelmäßig gefoult worden, konnte der Rückstand von der Freiwurflinie (13/18, 72,2 %) zur Pause (54:41) wieder verkürzt werden.
Die Körpersprache nach dem Seitenwechsel zeigte deutlich, dass die Veolia Towers fest daran glaubten, den Rückstand weiter verkürzen zu können. Und zumindest in der Offensive spiegelte sich der Wille der Hamburger sofort in den Aktionen wider. Dank drei Treffern aus der Distanz war der Rückstand wieder einstellig. In der Verteidigung dauerte es zwar etwas länger, bis die Rädchen ineinandergriffen. Der zunehmende Zugriff war aber spürbar. Und zeigte sich schließlich in drei punktlosen Göttinger Minuten. Bis auf zwischenzeitlich sechs Punkte konnten die Hamburger den Rückstand reduzieren. Ein Statement-Dunk von Lukas Meisner nach vorangegangenem Ballgewinn zwang Göttingen zur Auszeit. Doch auch die Unterbrechung konnte das Momentum nicht stoppen. Zwei Dreier vom in dieser Phase dominierenden Lukas Meisner und ein Lay-Up nach Steal von Niklas Krause brachten den 66:63-Anschluss. Ausgerechnet Ex-Hamburger Osaro Jürgen Rich half seinem neuen Klub mit zwei erzwungenen Freiwürfen und einem Ballgewinn dabei, den sich anbahnenden Führungswechsel zu vertagen. Möglich schien dieser nach starken zehn Minuten (20:27) aber auf jeden Fall. Mit 74:68 ging es in den entscheidenden Abschnitt.
40 Minuten sind nicht genug
Mittlerweile hatten es die Veolia Towers geschafft, dem Spielgeschehen mit ihrer starken Defensive eine neue Richtung zu geben. Auch die ersten zwei Minuten des Schlussabschnitts vergingen, ohne weitere Göttinger Zähler. Die Hamburger dagegen fanden sehr wohl weiter auch offensiv statt. Und wie: Lukas Meisner aus der Distanz und William Christmas per Alley-Oop besorgten die erste Hamburger Führung an diesem Abend. Ein weiterer Dreier des bärenstarken Lukas Meisner erhöhte den Vorsprung sechs Minuten vor dem Ende auf vier Zähler. Entschieden war die Partie damit aber noch nicht. Denn nur 60 Sekunden später hatte Göttingen wieder ausgeglichen. Es entwickelte sich ein ebenso emotionsgeladenes wie hochklassiges Ende. Die Partie wog mit jedem Angriff von einer zur anderen Seite -- an der Differenz änderte sich über zweieinhalb Minuten nichts. Trotzdem gingen die Hamburger mit einem Minus in die Crunchtime -- denn Aljami Durham hatte sein fünftes Foul kassiert. Und das Fehlen des Kreativpostens machte sich direkt bemerkbar. Während sich die Towers schwertaten, einen Abschluss zu finden, zog Göttingen von der Freiwurflinie wieder auf sechs Punkte davon. Die Partie wirkte schon so gut wie entschieden, da erzwangen Lukas Meisner mit zwei nervenstarken Dreiern und Nico Brauner mit einem rotzfrechen Triple aus achteinhalb Metern die Verlängerung.
Zum Start der Overtime netzte Brauner ein weiteres Mal aus der Distanz. Und versenkte kurze Zeit später seinen dritten Dreier, den er von Lukas Meisner hinterrücks aufgelegt bekam. Als dann noch William Christmas aus der Mitteldistanz traf, waren die Hamburger auf fünf Punkte vorn. Doch auch das genügte erstmal nicht. Denn ein weiteres Mal glich Göttingen aus. Die Entscheidung war nur noch eine Frage des Willens. Die Towers wollten es, erhöhten wieder auf vier. Die Göttinger wollten es allerdings ebenso und glichen abermals aus.
Wahnsinns-Dreier bringt die Entscheidung
Somit ging es in die zweite Verlängerung. Neben Durham waren auch Will Christmas, Niklas Krause und Mark Hughes ausgefoult. Und war das nicht schon erschwerend genug, brachte sich nun Göttingen vier Punkte in Front. Doch auch das führte zu keiner Entscheidung. Wieder konterten die Towers, legten zwei weitere Male vor. Nur damit die Göttinger in dieser verrückten Partie wieder doppelt ausglichen. Apropos verrückt: Wie schon zum Ende der regulären Spielzeit nahm sich Nico Brauner ein Herz und sorgte mit seinem vierten Dreier und zwei Freiwürfen für ein siegreiches Ende (118:123) nach 50 wahnsinnigen Minuten.
Stats: Krause (4, 3 Ass.), Hughes (2), Brauner (16, 3 Ass.), Meinsner (30, 6 Reb.), Dziewa (9, 3 Ass.), Christmas (11, 3 Reb., 6 Ass., 3 Stl.), Hichrichs (15, 6 Reb., 5 Ass.), King (19, 8 Reb.), Wohlfarth-Bottermann (2, 6 Reb.), Durham (15, 6 Reb., 9 Ass.)