Kurz zur “Megafonschreier”-Diskussion. Ich habe mich vor Jahren einmal mit einem Wilde Horde-Gründungsmitglied (Ultras 1.FC Köln) unterhalten, da ich genau wie @Giac_mo als langjähriger Steher auf der Süd auf das Gehabe der Ultras, gerade in den “schwierigen” Jahren rund um den ersten Abstieg und die Jahre danach keinen Bock mehr hatte. Was da den Spielern und Verantwortlichen nach Niederlagen an den Kopf geworfen wurde, war für mich nur schwer erträglich und ich wollte kein Teil davon mehr sein.
Die “harte” Fanszene sind meistens junge Leute (meistens männlich), die ihren Verein “leben”. Sie sorgen in teilweise tage- und nächtelanger Arbeit für die meist großartigen Choreos, leiern lautstark die Gesänge an, erstellen Blockfahnen, fahren zu allen Heim- und Auswärtsspielen, lassen für das alles richtig viel Geld und sind größtenteils als Gruppierung auch noch karitativ unterwegs, was häufig gar nicht an die große Glocke gehängt wird. Also echte Fans im Sinne des Wortursprungs “fanatisch”. Was alles absolut großartig ist und den Stadionbesuch für Dritte zu einem Erlebnis macht und damit auch für die Vereine zu einem Wirtschaftsfaktor wird.
Leider hat das Ganze auch Schattenseiten. Denn diese “Fanatics” leiten aus ihrem Tun eine Anspruchshaltung herbei, die aus “Wir reißen uns hier FÜR EUCH den ArXXX auf, also habt Ihr gefälligst FÜR UNS das Gleiche zu tun” besteht. Was erst einmal verständlich ist, aber verkennt, dass dieser Anspruch gar nicht besteht. Ein Profi spielt in erster Linie für seinen Arbeitgeber und evtl. einen lukrativen Anschlussvertrag, Fans sind da “nur” Folklore, die es bei positiver Stimmung sicherlich einfacher machen, seinen Arbeitgeber zufrieden zu stellen, aber bei Mißerfolg gibt es keinen Anspruch von Fanseite, die Spieler in teilweise unflätigster Weise erst einmal in gruppendynamischen Prozessen, aber auch häufig unter Einfluss von nicht geringen Mengen psychoaktiver Substanzen von Alkohol bis THC, rund zu machen. Das Verhalten mag irgendwo im Bereich enttäuschte Liebe psychologisch zu erklären sein, besser macht es das aber nicht.
Kritik daran wurde von der Horde, wie auch hier ähnlich von @ffm03, mit dem Totschlagargument “Fahr erst mal auswärts, du Otto” abgebügelt. Also alle, die nicht zum selbst gefühlten “harten Kern” der Fanszene gehören, werden entweder als Eventottos betitelt oder ihnen wird gar das Fansein pauschal abgesprochen, was einen Dialog sehr erschwert. Oder aber ein “stell Du Dich doch hier hin und mach es besser”.
Um die Brücke vom FC zu den Baskets zu schlagen: Es gibt Profis, die nehmen unsachliche Kritik, Anschreien etc. als unangenehme Begleiterscheinung hin, lassen das aber nicht so stark an sich ran. Allerdings haben wir nach meiner Wahrnehmung dieses Jahr ein sehr fragiles Mannschaftsgebilde mit größtenteils eher sensiblen bis introvertierten Charakteren, wo lautstarke bis unflätige Kritik eher noch größere Blockaden hervorrufen können. Ich würde mir daher wünschen, aus dem Block Süd heraus auch einmal einzelne Spieler nach extrem gelungenen Aktionen zu feiern, da ich mir vorstellen könnte, dass das bei unseren diesjährigen Spielern mehr bringt als Kritik. Als Beispiel dieser unfassbare Dunk von Savion Flagg gestern im ersten Viertel. Dafür einfach mal den Spieler abfeiern, fände ich persönlich sehr geil. Oder ein gelungenes Hustleplay oder oder…
An der Stelle würde ich aber auch gerne die Hallensprecher in die Verantwortung nehmen. Manchmal wird neben dem Korberfolg auch der Assistgeber erwähnt. Leider nicht immer und leider auch häufig gerade dann nicht, wenn ein ganz besonders gelungener Assist zum Erfolg führt. Watson gestern im dritten Viertel über den Kopf zu Kirkwood z.B. würde beim Spieler wahrscheinlich auch positive Vibes hervorrufen, wenn sein Assist erwähnt wird.
Abschließend möchte ich aber sagen, dass wir in Bonn von Fußballverhältnissen so weit entfernt sind wie der Mond von der Erde. Ich empfinde den Support von und auf der Süd nach wie vor als herausragend, wenn auch ich mir keine Bartolo-Pfiffe gewünscht hätte. Der ist halt auch erfahren genug um zu wissen, wie man Emotionen in ein Spiel zu Gunsten seiner Mannschaft bringt und das hat er letztes Jahr eben gemacht. Und ich schrieb es auch letztes Jahr schon: Wenn man diesen Maßstab anlegt, hätte Chris Ensminger nie in einem Bonner Trikot auflaufen dürfen. Einmal Bonner, immer Bonner.